Ich denke Deine Momo ist natürlich auch eine Seelentrösterin, so wie es bei mir Maymunah war. Es ist gut, daß Du noch eine Katze hast, das bewog mich auch, nach Murmelchens Ausflug, eine Katze (vielleicht auch als Trost) zu mir zu holen. Und es ist wirklich gemein, wenn einen die Ungewißheit plagt. Doch auch das wird irgendwann besser werden, da bin ich mir sicher.
Als Mehania auf die Welt kam, das war Gott sei Dank in Deutschland, war ich über den Nichtbesuch des Pfarrers enttäuscht.Wir wohnten damals in einer alten umgebauten Mühle unterm Dach in einer Maisonettewohnung, in einer kleinen Gemeinde,die durch ein Kinder- und Jugendheim, und eine Waldorfschule geprägt ist. Auch dort fühlte ich mich heimisch, und war fest integriert. Aber daß dieser Pfarrer uns nicht zur Geburt des neuen Erdenbürgers gratulierte, stoß mir bitter auf, so bitter,daß ich aus der Kirche austrat! Dazu muß ich aber auch sagen, daß ich durch die Heirat meines Mannes, und dem schon vorherigem zweijährigem Aufenthalt in Tunesien, etwas moslemisch angehaucht war. Somit war es mir ein Leichtes, dem katholischen Glauben den Rücken zu kehren. Ganz tief im Inneren blieb ich jedoch immer eine " Christin", wobei die Religionszugehörigkeit meines Erachtens nichts mit dem Glauben an sich zu tun hat, oder zu tun haben sollte. Somit war es mir egal, mit welcher Religion mich wer in Verbindung brachte. In meinem Herzen glaubte ich an Gott.
Und dieser Gott stärkte mich immer wieder in meinem Leben. Sei es in glücklichen Momenten, oder in Krisenzeiten. Für mich betete ich in aller Stille, egal wo. Dazu brauchte ich kein Gotteshaus; weder eine Kirche, noch eine Moschee.
Die Sehnsucht nach Murmelchen, aber auch schon die Rückkehr von Tunesien nach Deutschland, und den damit verbundenen Problemen, zog mich entgegen meiner vorherigen Überzeugung, immer mal wieder in die Kirche. Der Gang zum Opfertisch mit seinen vielen Kerzen, wurde zu einem gewohntem Ritual. Hier bedankte ich mich regelmäßig für alles Mögliche das im Leben so eintritt, und für was man sich eben bedanken kann. Trost fand ich allerdings in einer stillen Ecke bei einer Statue Marias. Ich zog es immer vor in die Kirche zu gehen, wenn sich keine oder möglichst wenige Menschen dort aufhielten. Denn ich weinte. Ja, oftmals liefen die Tränen nur so runter, und dabei wollte ich bitte ungestört sein. Aber die Tränen, die ich geweint habe als ich Murmelchen vermißte, und die Kerzen, die ich ab diesem Zeitpunkt dort entzündete,können nicht gezählt werden. Ich bat Gott sehr selten um Etwas.
Aber für Murmelchen hatte ich so viel zu bitten! Bitte laß sie gesund sein, bitte paß auf sie auf, bitte laß sie nicht hungrig sein, bitte laß sie nicht frieren , bitte sorge dafür, daß sie einen warmen Platz zum Schlafen hat, und schließlich...bring sie zu mir nach Hause, ich vermisse sie so sehr! Dieser Raum Gottes spendete mir den Trost, den ich gesucht hatte!
Zu also meinem nahezu alltäglichen Gang in die Kirche, gehörte auch die Suche auf meinem Rad. Das war für mich die praktischste Alternative, flexibel und situationsbewußt zu handeln. Mit dem Rad konnte ich unwegsames Gelände erkunden, weite Strecken zurücklegen, langsam oder schnell fahren, und immer und überall anhalten. Früher fuhr ich mal in meiner Freizeit Rennrad. Ich war gut, schließlich trainierte ich fast täglich. Doch jetzt stieß ich an meine Grenzen. Schließlich bin ich älter, und schon lange nicht mehr so viel gefahren. Noch erschwerdend kam hinzu, daß es wetterbedingt immer feuchter wurde, und der Nebel, besonders in den Abendstunden und an Wochenenden früh morgens, begann mir in den Knochen zu sitzen; schlimmer noch, in der Lunge. Schon nach kürzester Zeit hatte ich zum Muskelkater auch noch einen hartnäckigen Husten, den ich lange Zeit nicht mehr los wurde. Doch all das hinderte mich nicht, in meinem Rhytmus zu bleiben. Denn genau das immerwährend Gleiche brachte mich in eine Art Abhängigkeit, von der ich glaubte, daß mich eben nur diesewieder zu meinem Murmelchen führe.
Schlimmer noch. So ziemlich jeder kennt das Spiel, daß wir als Kinder oft spielten; auf keinen Fall auf die Linien zwischen den Pflastersteinen treten, sonst wird die nächste Mathearbeit verhauen, oder sonst liebt er eine Andere, oder, oder. Bei mir hieß es ab sofort, nicht auf die Linien treten, sonst sehe ich mein Murmelchen nicht mehr, oder ich zähle bis 50, spätestens dann kommt mir ein Fahrradfahrer in der Unterführung entgegen. Furchtbar....
Natürlich hatte ich mittlerweile auch die Plakate mit Murmelchens Foto vervielfältigen lassen. Ich war überrascht, wie teuer das wurde! Bepackt mit einem Teil des Stapels, machte ich mich an die Verteilung. Den Anfang startete ich in meiner unmittelbaren Nachbarschaft. Und ich war wiederum überrascht, wie anteilsam die Menschen waren. Ich drückte Jeden, den ich persönlich erreichen konnte, ein Plakat in die Hand; diejenigen, die ich nicht antraf, würden ein ordentlich gefaltetes Blatt in ihrem Briefkasten vorfinden. Mit jedem persönlichem Gespräch viel es mir schwerer, mir den Klos in meinem Hals nicht anmerken zu lassen. Am meisten mußte ich meine Tränen bei denjenigen unterdrücken, die mir echtes Mitleid entgegenbrachten. Eine Dame war so lieb, daß sie mich zu sich hineinbat, und mir eine Tasse Tee bereitete.
Doch die rührendste Begegnung erfuhr ich bei einer alten Dame in einem anderem Dorf, welches sich am Rand des großen Waldgebietes befindet. Der Weg dorthin ist sehr beschwerlich, da ich mit dem Fahrrad mehrere steile Anhöhen zurücklegte. Schon nach der ersten Steigung war ich so erledigt, daß ich eine kurze Pause einlegen mußte. Ich ließ das Fahrrad auf die Seite fallen, und setzte mich außer Atem in die Wiese. Dabei schweifte mein Blick auf das unter mir liegende Heimatdorf mit dem angrenzenden See. Wie wunderschön er in der Nachmittagssonne glitzerte! Die Laubbäume trugen schon teilweise das Herbstlaub, welches im zarten Gelb , erdigem Braun und kräftigem Rot an den Bäumen hing. Die Apfelbäume ließen unter der schweren Last der Früchte ihre Äste hängen. Ich liebte das Bodenseegebiet um diese Jahreszeit. Ganz besonders, wenn die Nebelschwaden in Fetzen über dem See hingen, und so eine märchenhafte, ja fast mystische Stimmung aufkam. Linkerhand weiter entfernt, sah ich eine Katze in einer Streuobstwiese vor einem nicht erkennbaren Etwas sitzen. Nein, lauern. Kurz hielt ich den Atem an, kniff meine Augen zusammen, um gegen die noch immer blendenden Sonnenstrahlen etwas Genaueres zu erkennen. Doch schon nach einem kurzem Augenblick konnte ich sehen,daß es sich um eine schwarz-weiß gefleckte Katze handelte. Gedankenversunken beobachtete ich sie noch eine Weile, wie sie da geduldig auf ihre Beute lauerte. Wie gerne hätte ich sie gefragt, ob sie eine kleine, hübsche Katze bei ihren Streifzügen getroffen hat! Ich trennte mich von dem idyllischen Ausblick, nahm mein Fahrrad, und schob es die nächste Steigung nach oben. Auf der Anhöhe angelangt, fuhr ich wieder eine ganze Weile am Waldrand auf einer kleinen Landstraße entlang, immer mit wachsamen Blick nach rechts, und links.
Endlich erreichte ich die ersten Häuser dieses kleinen Kuhdorfes. Auch hier verteilte ich meine Suchzettel. Bei einem Bauern bekam ich den Tipp, eine alte Frau, die schräg gegenüber ein uraltes Häuschen bewohnte, anzufragen. Diese Dame würde mehrere Katzen um sich herum füttern. Freudig überquerte ich die Straße, mit ein klein wenig Hoffnung in Aussicht.
Eine kleine Treppe als Aufgang führt zur Türe. Eine Weile stehe ich unten, und betrachte die Umgebung des Hauses. Etwas weiter oben befindet sich der angrenzende Wald. Die Wiese hinunter zum Haus ist wild und liegt brach. Neben dem Haus ist ein kleiner Bauerngarten. Er ist ohne Struktur angelegt, und strahlt eine Freundlichkeit und Wärme aus. Ich spüre, daß sich diese Person mit Liebe an ihren kleinen Garten zu schaffen macht. Einen Kräutergarten suche ich vergeblich; vielmehr verstreuen sich die verschiedensten Gewürz- pflanzen in aller Winde. Hier entdecke ich Minze, dort Rosmarin. Etwas versteckt, zwischen mehreren abblühenden Sonnenblumen, schaut vorwitzig ein Liebstöckel hervor. Der Garten ähnelt meinem mühevoll gepflanztem Gärtchen in Tunesien. Die Frau ist mir auf Anhieb sympathisch, ohne sie vorher gesehen zu haben. Die alte, mehrmals überstrichene hellblaue, und an einigen Stellen abblätternde Eingangstüre steht offen. Zögernd gehe ich die paar Stufen hinauf, und halte mich am schmiedeeisernen Gelände fest. Oben auf einem schmalen Pfosten dieses Geländers sitzt eine schwarze strubbelige Katze. Vermutlich ein alter Kater, dem dicken, rundlichen Kopf nach zu urteilen. Mit mißtrauischen, etwas ängstlichen großen, gelbgrünen Augen starrt er mich an. Als ich noch einen Schritt näher komme, um an die Türe zu klopfen, da ich keine Klingel entdecken kann, duckt er sich zum Absprung bereit. Nach etwas zaghaftem Klopfen rufe ich Hallo. Spätestens jetzt springt das schwarze, verstrubbelte Wollbüschel etwas behäbig auf die Treppe, und schleicht geduckt davon.
Da die Türe offen steht, wage ich einen kurzen Blick hinein. Im Wohnflur befindet sich außer einem alten Holzstuhl nur noch eine kleine Kommode, auf der das Schnurtelefon seinen Platz gefunden hat. Nun vernehme ich ein leises "Einen Moment bitte, ich komme gleich", und aus der linken Tür, vermutlich die Türe zur Wohnstube,kommt eine alte, zierliche aber aufrecht gehende Dame. Ihr weißblondes Haar zu einem Dutt gebunden, macht ihr knochiges, aber trotzdem noch mädchenhaftes Gesicht frei. Sie kommt auf mich zu, und bleibt mit der einen Hand am Türgriff abstützend, am Eingang stehen. Ich entschuldige mich für die Störung, und berichte ihr von ihrem Nachbarn, der mich zu Ihr geschickt hat. Daraufhin erzähle ich ihr kurz und bündig meine Geschichte, woraufhin sie mich sorgenvoll ansieht, und sie genau wissen will, wie mein Kätzchen denn aussieht. Mit einem Griff in meine Jackentasche, ziehe ich eines von den noch wenig übriggebliebenen Plakaten heraus, und gebe es ihr. " Oh, das ist ja noch ein junges Kätzchen! " Dann erzählt sie mir, wieviele Katzen sie vor allem im Sommer hat. Manchmal seien es so viele, daß sie nicht mehr weiß, wie sie das Futter besorgen kann. Um Gottes Willen, aber warum denn? Ja, weil es sich wohl unter den "wilden" Kätzchen herumspricht, daß es hier Futter, und ein ruhiges Plätzchen zum Schlafen gibt! Die Tür sei das ganze Jahr über offen, sogar im Winter! So könnte auch die scheuen Katzen im Flur und im Keller, dessen Abgang sich rechts befindet, Unterschlupf finden. Die zutraulichen Tiere würden sich auch in der Wohnstube und in der Küche aufhalten. Sie selbst sei alleine, ihr Mann ist vor sechs Jahren gestorben. Jetzt hat sie nur noch die Katzen, die ihre ganze Freude, aber auch Sorge sind. Auf stille Art und Weise betreibt dies Frau Tierschutz, ohne die Hilfe anderer Menschen in Anspruch zu nehmen. Die Katzen, die sich bei ihr heimisch fühlen, und beschlossen haben, bei ihr zu bleiben, läßt sie auf eigene Kosten bei einem Tierarzt kastrieren,desen Name mir von vor über zwanzig Jahren bekannt ist. Der Sohn hat wohl die Praxis seines Vaters übernommen. Im Moment würden allerdings nicht so viele fremde Katzen kommen, und auf meine mich drängende Frage hin, ob sie vielleicht meine Katze gesehen hat, verneint sie dies. Als sie mein offensichtlich enttäuschtes Gesicht sieht, verspricht sie mir, mich sofort anzurufen, falls sie auftauchen würde.
Eine alte Frau, die sich noch zur Lebensaufgabe gemacht hat, das Leid der armen Kätzchen ein wenig zu mildern; und die im Gegenzug dazu, viel Liebe und Zuneigung von ihren Schützlingen erfährt. In der nächsten Zeit führt mich mein Weg noch öfters zu ihr.
Den Tränen nahe, da sich wieder ein Stück Hoffnung in Luft auflöste, setzte ich meinen Weg fort. Für heute hatte ich noch genau zwei Zettel in meiner Tasche. So fuhr ich nur noch bis zur nächste Waldkreuzung, an der sich eine kleine Holzhütte , wahrscheinlich ein Geräteschuppen befand. An diesem hingen Plakate verschiedener Veranstaltungen der Umgebung. Ich heftete meines dazu.
Erst zu diesem Zeitpunkt wurde mir schmerzlich bewußt, daß mein Murmelchen noch nicht kastriert war. Geschweige denn tätowiert und/oder gechipt. Bis dato war es für mich eben noch kein Thema gewesen. Murmelchen war doch noch so klein; ich hatte erst vor, sie mit ca. zehn Monaten kastrieren zu lassen. Jetzt machte ich mir schlimme Vorwürfe.
Kastration war damals bei meinen ersten Katzen natürlich ein Muß, denn sie waren alle Freigänger. Das Thema Kastration machte mir in Tunesien allerdings sehr große Probleme, da dort Kastrationen bei den heimischen Tierärzten nicht durchgeführt werden. Und schon gar nicht im Landesinneren. So fügte ich mich deren Gepflogenheiten, und ließ insbesondere meinen Kater Felix nur ungerne hinaus. Anfangs war er noch sehr häuslich, doch das änderte sich schlagartig als er geschlechtsreif wurde, und rollige Katzen umherliefen. Selbst Nachts konnte ich ihn dann nicht mehr daheim halten, und jedesmal öffnete ich ihm schweren Herzens die Türe. Er blieb glücklicherweise nie lange weg, doch er kam immer häufiger mit Schrammen diverser Katerkämpfe nach Hause. Zudem fing er an, mit Vorliebe auf meinem Kleiderschrank auf die dort gestapelten Schafsdecken zu markieren. Lecker!
Doch um überhaupt eine Möglichkeit der Kastration in Erwägung zu ziehen, hätte ich mit ihm nach Tunis in die Tierklinik reisen müssen. Das hat wiederrum mein Mann nicht erlaubt. Und was solche Themen insbesondere in Bezug auf meine, teils auch unsere Haus-Hof-und Nutztiere betraf, lernte ich sehr schnell mich zu beherrschen, und viele Dinge einfach nicht anzusprechen, und es für mich alleine auszumachen. Für Felix wäre aber auch die weite Strecke eine Tortour gewesen. Schließlich handelt es sich um 300 Kilometer. Und diese Straßen sind bei Gott nicht mit denen in Deutschland zu vergleichen.
Etwas einfacher gestaltete sich die Organisation meiner Hunde. Diese konnte ich im Falle der Läufigkeit meiner Schäferhündin Julia getrennt halten. An Platz mangelte es uns wirklich nicht. Insbesondere war diese Trennung nötig, nachdem Julia schon zweimal Junge bekam, das erste Mal gleich zehn kleine Scheißerchen,die ich natürlich zusätzlich mit der Flasche ernähren mußte, da die Milch der Mama für so viele Babys nicht ausreichte. Sie wuchsen und gediehen alle prächtig, und entwickelten sich zu richtigen kleinen Rackern. Arabisches Blut eben! Das zweite Mal warf sie im darauffolgendem Jahr wieder neun Junge, wovon das erste im Geburtskanal stecken blieb, und ich es leider zu spät und nur mit größter Not herausziehen konnte. Ich weiß es noch wie heute. Wie das letzte Mal fingen die Wehen in der Nacht an, und mit einem Jammern weckte mich Julia ausmeinem leichtem Schlaf. Ich hatte ihr schon Tage zuvor ein Lager im "Gurbi" hergerichtet.( Gurbi = eine Art Höhlenbehausung, die mindestens drei Meter tief in den lehmartigen Sand gegraben wird. Abgedeckt werden diese Träger mit einer großen Plastikplane, zum Schutz vor Sandstürmen und eventuellem Regen. Darauf stapelt man allerhand an Gestrüpp und leichtem Geäst, oben drauf nochmals eine Schicht Dornengestrüpp. Dieses soll die Schafe und Ziegen daran hindern, darauf herumzustrampeln.)
Mit einer Öllampe bewaffnet, und schnellstens in meine Bergstiefel geschlüpft, schlich ich mich zur Hintertüre bei der Küche hinaus. So leise wie möglich, daß meine Tochter im Schlaf nicht gestört wurde. Das Terassenlicht war zu schwach, als daß es bis zu der Stelle, die sich Julia aussuchte, gereicht hätte. " Julia, warum bist du denn nicht im Gurbi? " Statt dessen lag sie in einer tiefen Sandgrube, direkt an der Hauswand, die sie sich gegraben hatte. Genau wie das letzte Mal. Sie wird schon wissen warum; dachte ich. Ich riß ein Handtuch von der dort befindlichen Wäscheleine herunter, und hievte Julia etwas aus dem Loch, legte das Handtuch hinein, und ließ meine zitternde Hündin wieder hineinliegen. Oh, je, das könnte eine lange Nacht werden. Mit der Öllampe suchte ich die gesamte Wand und den davorliegenden sandigen Platz nach Skorpionen und Schlangen ab. Zwei Skorpione trat ich mit aller Wucht mit meinen Bergstiefelabsätzen kaputt. Diese Schuhe hatten mich noch nie im Stich gelassen. Mit einer Schaufel, die an der Wand zur großen Garage lehnte, hob ich die zerquetschten Viecher mit einem Schwung über die zwei Meter hohe Mauer. Sollten sich die Hühner am nächste Morgen dran erfreuen. Dann ging ich zu dem hinteren Hundebereich, in der Baghira unruhig und leise winselnd, hinter der Gittertüre hin und herlief. " Ruhig mein Schatz; ich kann Dich jetzt nicht heraus lassen. Julia bekommt Deine Babys." Meine Hand lag auf dem Gitter, so daß er meine Hand schlecken konnte.
Zurück bei Julia, sah ich in ihre müden Augen. Bald hast Du es geschafft, und es werden sicher wieder so hübsche und gesunde Babys. Für wahr, um diese Hundebabys stritten sich die gesamten Bewohner, bis weit über unser Bergdorf hinaus. Als bekannt wurde, daß Julia wieder trächtig war, nein schon vorher, mußte ich eine Liste mit den Namen anfertigen, daß ich auch keinen Interessenten vergaß. Denn es waren schließlich Hunde von der "Gouri" (Ausländerin), von " Mart Mustfa" ( der Frau Mustaphas); nur die weiß, wie man mit Hunden ordentlich umgeht. Und mehr noch. Diese Welpen trugen das Blut einer deutschen Schäferhündin, und die eines echten Suris( ursprüngliche tunesischer Jagdhund) in sich! Die waren gesund, gut ernährt, somit kräftig, und vor allem schon halbwegs gut erzogen! So zumindest das Gerücht. Sollten sie glauben was sie wollten. Doch so ganz Unrecht hatten sie nicht; denn einen echten Souri besaßen nur noch wenige in dieser verlassenen Gegend!
Julia wurde immer unruhiger, und schleckte sich ohne Unterlaß an ihrer geschwollenen Scheide. Eigentlich sollte mal so langsam das erste Welpe zu sehen sein. Es waren sicher schon 2 1/2 Stunden vergangen. Spüren konnte ich es schon ganz deutlich. So langsam wurde auch ich ungeduldig, doch dann sah ich schon deutlich Etwas gegen die Scheide drücken. Julia strengte sich immer wieder an, es harauszupressen, doch wollte dieses verdammte Ding nicht kommen. So führte ich drei Finger in die Scheide um den Schädel des Ungeborenen, und versuchte es so zu fassen ; doch irgendwie saß es fest. "Bitte Julia, drück, das ist doch erst das Erste. Streng Dich an!" Viel zu lange harrte ich in einer unbequemen Position aus, bis der Widerstand endlich etwas nachließ, und ich mit einem ordentliche Ruck das Welpe herausziehen konnte. Schnell riß ich die Eihülle an der Schnauze auf, und legte Julia das Welpe vor ihre Nase. Erst jetzt sah ich, wie groß es war. Aber vielleicht täuschte ich mich auch. Julia began die Eihülle abzuknabbern, die Nabelschnur durchzubeißen und aufzufressen. Doch das kleine schwarz/braune Ding bewegte sich nicht. Auch nach längerem Lecken, sah ich keinerlei Reaktion. Hektisch nahm ich das Kleine, legte es in mein Harka (weites Hängerkleid) und massierte es ordentlich durch. Es atmete nicht. Was sollte ich denn machen? Ich war mit dieser Situation komplett überfordert. Ich schüttelte es vorsichtig, dann kräftiger durch, damit eventuell die Atemwege von dem restlichen Fruchtwasser befreit wurden. Es wollte nicht atmen. Enttäuscht legte ich es Julia in die Nähe ihres Kopfes. Ein paar mal schnupperte sie noch daran, doch dann war sie mit der Geburt ihres nächsten Welpen beschäftigt, und ich mußte den leblosen Körper weglegen, damit sie sich nicht darauflegte, als sie sich ein paar mal im Kreis drehte, um dann wieder eine neue Stellung in ihrer Grube einzunehmen. Ich wickelte das Tote in ein anderes Tuch, und legte es auf den kleinen Mauervorsprung beim Verandaaufgang.
Das ist doch alles Scheiße. Nie wieder laß ich Dich Junge bekommen. Es reicht! Und wenn ich Dich eigenhändig nach Tunis tragen muß. Und wo ist der gnädige Herr des Hauses? Immerzu bin ich alleine! Ich war den Tränen nahe, doch das zweite Welpe wurde schon geboren,und auch die nächsten Welpen kamen alle von ganz alleine. Meine brave, tapfere Julia. Sie gebar bis in die frühen Morgenstunden noch acht gesunde Babys. Viel kleiner, als das Erste!
Als ich zu Hause ankam, war es schon dunkel. Ich stellte mein Fahrrad in den Eingang, und schleppte mich die Treppen hoch. Gerade wollte ich den Schlüssel in das Schloß stecken, als die Türe aufging, und mich meine Mutter vorwurfsvoll hineinließ.
Oh je, ich hab schon so viele Fehler entdeckt, obwohl ich ein paar mal durchgelesen habe. Dann kommt noch das Einstellen, und schwupps sind zwei Wörter zusammengeschrieben, da ich die Zeilen verrücken muß. Aber was solls, wird eh noch überarbeitet...
Ich hab schon Einiges. Doch ich würde so gerne öfters scgreiben. Doch finde ich nicht immer die Zeit dazu, und auch die Ruhe fehlt mir momentan. Irgendwie will grad alle Welt was von mir.*heul* Aber zum Wochenende wirds dann was!
" Deine Tochter ist jetzt schon wieder alleine gewesen. Das arme Kind. Du mußt Dich mehr um sie kümmern. Seit Du diese Katze suchst, läßt Du sie unentwegt alleine! "
Mit einem Blick auf die Uhr, es ist gerade mal kurz nach 19.oo Uhr, wende ich mich meiner ach so armen Tochter zu, und gebe ihr einen Begrüßungskuß. " Hast Du Deine Hausaufgaben gemacht? " " Ja, Mama! " Seit ich nach Tunesien ausgewandert bin, fallen immer wieder solche Wörter wie, ' das arme Kind ' ein, oder noch häufiger als früher schon, fängt bald jeder zweite Satz mit ' du mußt ' an. Diese ganze Litanei an Vorwürfen und Vorschriften leid, lege ich meine Jacke ab und begebe mich in die Küche, um das Abendbrot zuzubereiten. Schon wieder in Gedanken versunken bemerke ich nicht, wie die Tür ins Schloß fällt.
Plötzlich bricht alles über mich ein. Wie soll ich das nur alles bewältigen? Ich vermisse mein Murmelchen so sehr, daß ich schon befürchte ohne sie nicht mehr glücklich zu werden. Vermissen. Dieses Gefühl der Leere und herzzerreißender Sehnsucht nach Etwas, das man mal gewagt hat besessen zu haben, das man gewagt hat für sich in Anspruch genommen zu haben. Immer wieder tauchen Bilder Tunesiens wie Bruchstücke eines zerbrochenen Ganzen vor mir auf. Es schmerzt. Es schmerzt zu wissen, daß da mal Etwas war; Etwas, daß man befürchtet für immer verloren zu haben. Etwas, daß man vielleicht nie wieder sehen oder berühren kann. In diesem Moment frißt mich die Leere nahezu auf. Tränen laufen unmerklich über mein Gesicht, als ich zusammengekauert auf dem kaltem Fliesenboden der Küche sitze, und auf den leeren Futternapf starre...
Etwas kitzelt mich an den Füßen. Mehania? Nein. " Möpsi, laß das sein. Das kitzelt doch!" Ich ziehe meine nackten Füße unter die leichte Decke und fühle, wie die Schnauze meiner kleinen, wuscheligen Hündin ein Loch gräbt, um weiter meine Füße zu malträtieren. Meine Hand sucht das Wollknäuel mit den Fingerspitzen, um gerade so ihr weiches Fell berühren zu können. Zwei kurz hintereinander nachahmende Kußgeräusche, läßt das aufgeregte Hündchen zu mir hervorschnellen. Die Zunge schleckt wie wild über mein müdes Gesicht. Es ist noch dunkel draußen. Meine innere Uhr schätzt auf gerade mal vier Uhr. " Na gut, ein wenig Zeit habe ich noch mit Dir zu schmusen und zu balgen. Komm her, meine kleine süße Maus." Ich knuddel Möpsi feste durch. Sie legt sich auf den Rücken, streckt alle Viere von sich, und streckt mir ihr kleines Bäuchlein entgegen. Sie liebt es am Bauch gekrault zu werden. Überhaupt liebt sie es, geknuddelt, gedrückt und abgeknutscht zu werden. Und ich liebe diese seidigen, goldblonden Kringellöckchen an ihrem Bauch, und an den Beinchen. Überhaupt bin ich ganz verzaubert von ihrem fröhlichen und liebevollen Wesen. Zu Allem und Jedem hüpft sie freudekläffend hin und begrüßt ihr Gegenüber tanzend und auf ihren Hinterbeinchen springend. Seit ich sie habe, ist das Lachen in mein Gesicht zurückgekehrt.
Mein Mann war vor nicht ganz vier Monaten für einen kurzen Urlaub bei uns, da kam er eines Abends von seinen Eltern ins Haus gerannt, und sagte, ich solle mal schnell mitkommen. Er hätte da Etwas für mich. Widerwillig ließ ich die Arbeit in der Küche liegen, und tapste im Dunkeln hinter ihm her. Ich hatte so gar keine Lust in das Haus meiner Schwiegereltern zu gehen, schon gar nicht Abends, wenn sich Schlange und Skorpion " guten Abend " sagen! Wie immer war das Elternhaus meines Mannes bestens besucht. Von mehreren Verwandten, bis hin zu Menschen die ich nicht kannte, oder zumindest dieser Familie nicht zuordnen konnte. Nach unzähligen Küssen auf die Wangen, viel mein Blick auf Jamel. Ein groß gewachsener, entfernter Cousin meines Mannes, der mich mit erwartungsvollen Augen anschaute. In den Händen hielt er ein winzig kleines Fellknäuel, in ein altes Tuch gewickelt! Als ich erkannte, daß es endlich mein heißersehnter Havaneserwelpe war, hatte ich solch ein Strahlen im Gesicht, daß sich die gesamte Familie mitfreute. Mein Mann hat viele Jahre später erzählt, daß er mich lange hat nicht mehr so lachen sehen, wie damals!
Vorsichtig nahm ich das Kleine in die Hände, und drückte es sanft an meine Brust. Es war noch anthrazitfarben und seine Äuglein so wunderschön knopfig und schwarz, daß ich mich auf Anhieb verliebte. Mein Beschützerinstinkt verabschiedete sich schnell von den vielen Menschen und dem Kindergeschrei, jedoch nicht ohne mich mit einem "shukran" und einer herzlichen Umarmung bei Jamel zu bedanken. Ob mein Mann ihm für die Kleine ein paar Dinar bezahlt hat, weiß ich bis heute nicht.
Zügig lief ich in Begleitung meines Schwagers, in unser Haus zurück. Meine Mehania. Seelig schlief sie in ihrem liebevoll hergerichteten Zimmer. Das alte Bauernbett hatte ich auf einem Markt in Sfax ergattert. Es ist türkis, mit wunderschönen Bildern am Fuß-und Kopfende verziert. Die Farbe bricht , und es ergibt ein antikwirkendes Muster, ähnelnd einem Mosaik. Jetzt sind wir schon Jahre hier, und wir haben uns nie an die abendlichen Umtriebe gewöhnt. Die Kinder hier gehen teilweise so spät ins Bett, daß es mich nicht wundert, diese schlaftrunken am nächsten Morgen auf dem Weg zur Schule zu sehen. Oftmals war ich froh um die Stille in meinem Haus und Hof. Schließlich mußte ich täglich in aller Frühe aufstehen, um die Tiere zu versorgen. So vermied ich die Hitze, die schon kurz nach Sonneneingang hereinbrach, und hatte auch genügend Zeit, mich um meine Tochter zu kümmern, bevor sie in die Schule mußte.
Möpsi und ich wurden zu einer Einheit. Sie durfte den Vorzug genießen, in dem Haus leben zu dürfen. Während meine anderen beiden Hunde, Baghira und Julia um das Haus herum, das von einer großen Mauer umgeben war, ihr häusliches Territorium hatten. Doch man soll nicht glauben, daß nur Möpsi ins Haus durfte. Abwechselnd waren hier alle Sorten von Tieren kurzfristig zu Besuch. Ob es sich um kränkliche Tiere oder um Aufzuchten von Geflügel und Hasen handelte; diese konnten in der kritischen Phase vor den Schlangen und Ratten geschützt, meine Fürsorge genießen. Diese Zeit des Aufpäppelns war für Mehania und mich eine willkommene Abwechslung und bereichernde Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
Seit ich also diesen Welpen hatte, sah man mich also nur noch mit Anhang. Möpsi begleitete mich überall hin. Auf den wöchentlichen Markt, auf den Fahrten in die Wüste, um Ziegen und Schafe zu verkaufen, zu allen Erledigungen, die außerhalb meines Hofes zu besorgen waren, und natürlich war sie auch mit Begeisterung beim Hüten meiner Nutztiere mit von der Partie. Baghira und Julia wiesen sie mehr oder weniger geduldig ins Schafe- und Ziegenhüten ein. Immer wenn sie zu wild umher sprang, wurde sie mit ein paar zarten Bissen meiner beiden großen Hunde zurechtgewiesen. Schon nach kurzer Zeit hielt sie gebührenden Abstand zu den Tieren, so daß sie in Ruhe ihre Gräser und Kräuter fressen konnten. Abends kuschelte sie sich abwechselnd zu meiner Tochter und mir, und ich war glücklich in den vielen einsamen Nächten etwas Schmusiges bei mir zu haben. Felix, unser Kater hatte übrigens keinerlei Schwierigkeiten mit unserem Neuankömmling, und schon nach ein paar Tagen hielten die beiden Siesta, während der großen Hitze des Tages, in meiner Wohnstube.
...so konnte es nicht weitergehen. Meine Nerven lagen blank. Wie lange wollte ich denn noch unsere Gegend durchsuchen? Erschöpft legte ich mich ins Bett; doch es wollte sich kein Schlaf einfinden. Die letzte Zeit litt ich immer häufiger an unruhigen Beinen, die mich nicht zur Ruhe kommen ließen.
Am nächsten Tag setzte ich mich an meinen PC. Wozu hast Du denn das Ding? Ich gab das Stichwort " vermißte Katzen " ein. Was sich da alles vor meinen Augen öffnete, erschlug mich regelrecht. Mit Spannung las ich mich in das Thema ein, und stieß durch Zufall auf ein Forum, das etwas esoterisch zu sein schien. Ich las von einer Frau, die schon seit mehreren Monaten ihre Katze vermißte und versuchte, diese durch einen Hellseher wiederzufinden. In einem anderen Forum las ich immer wieder die gleichen Ratschläge, Vermißtenanzeigen aufzugeben, Tierheime zu informieren und dergleichen. Ich machte mir mehrere Notizen, und schlug mich durch die, in meinen Augen verworrene Welt des Internets.
Nachdem ich also diverse Suchanzeigen meines Murmelchens veröffentlichte, wurde ich den Gedanken eines Hellsehers nicht mehr los. Nach kürzester Zeit hatte ich sogar Jemanden in meinem Ort ausfindig gemacht, dem ich sofort eine Mail mit meinem Anliegen schickte.Während ich noch auf seine Antwort wartete, registrierte ich mich in einem Katzenforum, welches mir ebenfalls, nach anfänglichen Schwierigkeiten der Handhabung, zum treuen Begleiter wurde. Hier traf ich viele Katzenfreunde und Gleichgesinnte, die mich während dieser schwierigen Phase begleiteten. Doch mit großer Erwartung saß ich eines Tages am PC, als ich die Antwort des Hellsehers auf meine Mail öffnete.
Meine Hoffnung, auch nur irgend eine Kleinigkeit über mein geliebtes Schätzchen zu erfahren, wich sogleich einer enttäuschenden Ernüchterung. Wenigstens war er so ehrlich mir zu sagen, daß er nicht auf die Suche von vermißten Tieren spezialisiert sei. Er konnte mich jedoch insofern beruhigen, daß er ein gutes Gefühl hätte, und Murmelchen mit Sicherheit noch lebe. Ob er dies aus Mitleid oder aus Überzeugung tat, konnte und wollte ich jedoch nicht wissen. Somit vertiefte ich mich in dieses Thema immer mehr, bis ich ein einschneidendes Erlebnis hatte.
Über eine Werbeseite wurde ich auf eine telefonische Beratungsstelle aufmerksam, die auch Tierkommunikation anbieten. Nach einer mir viel zu langen Wartezeit, hatte ich endlich eine Dame am Telefon, die mich mit ihrer dunklen und sanften Stimme freundlich nach meinem Anliegen erkundigte. Nachdem ich ihr in knappen Worten über den Hergang des Verschwindens von Murmelchen erzählte, hielt sie eine Weile inne. Ungeduldig wartete ich auf Ihre nächsten Worte. Diese schnitten in mein Herz, und ließen gleichzeitig meinen Atem stocken. Ich kämpfte gegen ein aufschreiendes Nein an, welches mir im Halse stecken blieb. Statt dessen verkrampfte sich meine Stimme zu einem leisen Schluchzen." Sind sie sich sicher? Wo genau sehen sie mein Murmelchen?" Mit einer mir unglaublich ruhigen und sanft erscheinenden Stimme, beschreibt sie mir den Ort, an dem sie Murmelchen im Gras liegen sieht, benetzt von herbstlichen Tau. Sie sei sehr schnell gestorben, wahrscheinlich durch einen harten Schlag gegen ihr Köpfchen, und hätte nicht gelitten. Sie würde nun in einer Zwischenwelt verharren, da die Verbindung zwischen mir und ihr sie daran hindern würde, ins Jenseits einzutreten." Eine Art Schockzustand hinderte mich daran, den verdammten Hörer einzuhängen.
"Sagen sie ein paar liebe Worte zu ihrer Katze, so als ob sie vor ihnen steht. Das wird es ihr erleichtern Abschied zu nehmen!" Was trieb mich dazu, dieses lächerliche Spiel mitzuspielen? Bis heute kann ich es mir nicht erklären, wie mich diese Frau dazu brachte meinem geliebten Murmelchen zum Abschied für unsere gemeinsame Zeit zu danken, in Gedanken über ihr unglaublich weiches Fell zu streicheln, sie zu küssen.
Danach war ich nicht mehr fähig irgendetwas wie auf Wiedersehen zu sagen. Kraftlos beendete ich das Gespräch, hängte den Hörer ein, und blieb dort am Boden vor meinem Telefon sitzen. Murmelchen, Murmelchen, mein geliebtes Murmelchen....
Wann kommt Murmelchen endlich wieder!? Die Spannung ist ja kaum auszuhalten!
Darf ich etwas fragen, was mich etwas verwirrt!? Ansonsten überlies es einfach ;) habe ich es richtig verstanden, dass dein Mann auch in Tunesien viel unterwegs war und du oft mit Deiner Tochter alleine Haus und Hof gehütet hast?
„… daß diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist.“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel)
Ich glaub das dauert noch ein Weilchen. Es sind so viele Dinge passiert, die werde ich alle festhalten müssen, damit ich meinen Enkeln noch was zu erzählen hab...
Ja, mein Mann und ich sind viel zu oft getrennt. Als ich dort war, hat er in der Schweiz gearbeitet, um den Bau des Anwesens zu finanzieren. So haben wir ohne Schulden ein recht stattliches Anwesen auf die Beine gestellt, ohne Schulden zu haben. Jetzt ist er in Tunesien, und ich hier, da eben das Ganze weiter bearbeitet werden muß.... Du siehst, ich war immer komplett auf mich alleine gestellt!*augenrollundtiefeinundausatmen*
Bine, vielleicht schaff ich wieder den nächsten Teil zum Wochenende hin. Bin zur Zeit echt alle!!!!Meine Kindergruppe bringt mich noch ins Grab!*wiederaugenroll*
Aber dafür scheint ihr Euch doch auch einen gemeinsamen Traum zu erfüllen! *kopfhoch* Es geht viel Mut dazu solche Schritte zu gehen und irgendwann ist es bestimmt wieder besser :)
Ich freue mich auf den nächsten Teil!
„… daß diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist.“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel)
Natürlich wollte und konnte ich das alles nicht glauben, doch dieses Bild, welches Murmelchen in irgendeinem Straßengraben liegend zeigte, ließ mich von da ab nicht mehr los. Es beeinfußte meine Denkweise und mein Handeln für die nächste Zukunft. So fragte mich eines Tages meine Freundin, ob ich mir nicht vorstellen könne, eine Katze aus dem Tierheim zu mir zu nehmen. Nach anfänglichen Bedenken, freundete ich mich mit diesem Gedanken jedoch immer mehr an, so daß ich mich eines Tages in einem unser nahegelegenen Tierheimen wiederfand. Skepsis und Neugier ließ mich in Richtung Katzengehege gehen, hinter deren Gittern ich nur schemenhaft ein paar Katzen wahrnahm. Die erste Tür geöffnet, entdeckte ich sofort eine Katze, die in Richtung der Absperrung eines zweiten Geheges tippelte. Natürlich viel mir gleich ihre wunderschöne sand- und schwarzfarbene Zeichnung auf, die an eine Siamkatze, heutige Thaikatze erinnerte. Noch nie hatte ich solch eine Katze bei uns in den Tierheimen gesehn. Meist waren es doch die üblichen Hauskatzen, selten konnte man solch eine Colour Point antreffen. Kaum öffnete ich die Türe in ihr Gehege, da kam sie auch schon plappernd auf mich zu, und ab da hatte ich sie bei mir aufdringlich und unwiderruflich auf meinem Schoß sitzen. Meine Freundin beschäftigte sich derweil mit allen anderen Katzen, und bei jeder ließ sie ein Bedauern äußern, das kundtat, daß sie nicht noch eine Katze haben könne. Nebenbei meinte sie, daß die Katze auf meinem Schoß farblich sehr gut zu mir passe. An diesem Tag hatte ich meine creme farbene Schurwolljacke an, in die sich dieses aufdringliche Etwas hineinkuschelte, und mit keinster Weise andeutete, wieder an einem anderen Platz liegen zu wollen. Kein Zweifel, diese Katze hatte mich ausgesucht, also dürfte sie auch mit mir mitkommen. Maymunah, gleichbedeutend wie glücklich und gesegnet, wurde ab da meine Seelentrösterin, doch niemals ein Ersatz für Murmelchen.
Nun könnte man meinen, ich hätte den Kopf in den Sand gesteckt, aber so leicht ließ ich mich von der Aussage einer sogenannten Hellseherin, und noch dazu einer so gering Glaubwürdigen, nicht beeinflussen.
Am nächsten Tag schon, saß ich wieder auf meinem Fahrrad, und suchte noch intensiver die Gegend ab, wenn das überhaupt noch möglich war. Allerdings muß ich mir eingestehen, daß diesmal mein Blick unweigerlich am gesamten Straßenrand hängenblieb. Es hätte ja doch eine klitzekleine Möglichkeit bestehen können....nein! Murmelchen genoß genau in diesem Augenblick die nachmittägliche Herbstsonne, womöglich mit einem gesättigtem Bauch einer soeben gefressenen Feldmaus. Katzen sind schließlich geschickte Jäger, das liegt ihnen im Blut, und auch wenn sie es in ihrem Leben noch nicht ausprobieren durfte, so konnte sie doch bisweilen ihren Jagdinstinkt in der Wohnung nacheifern. Fast täglich ließ ich sie einem Filzbällchen, dem kleinen, roten Punkt des Laserstrahlers oder anderen diversen Spielzeugen über Tische, Regale, Küchenbuffet, Fensterbänke hinwegflitzen. Es gab so ziemlich kein Hindernis, welches mein Murmelchen, leicht wie eine Feder, nicht mit Bravour meisterte. Dabei war sie so geschickt, auch nicht ein Stück meines Sammelsuriums an Gegenständen, die meine Wohnung schmücken, hinunterzuschmeißen.
Von einer Kollegin aufmerksam gemacht, daß es einen Gast-und Bauernhof in einem nahegelegenen Dorf gibt, an dem sich sehr viele Katzen aufhielten, und dort von einem Tierfreund gefüttert werden, fuhr ich diesen Hof mit einem neuen Stück Hoffnung, und ein paar Leckerlis zielstrebig an. Im hinteren Bereich des Gasthofes, direkt an einer Landstraße gelegen, kamen auch schon maunzend ein paar struppig aussehende Katzen auf mich zugelaufen. Unter ihnen waren auch einige kleinere, abgemagerte Tiere, die mich mißtrauisch beobachteten.Ich setzte mich auf den gepflasterten Boden,verteilte ein paar Brocken Trockenfutter um mich aus, und schon nach kürzester Zeit hatte ich mindestens 12 Katzen um mich geschart.So konnte ich mir in Ruhe einen Überblick über die dortige Lage verschaffen. Rechterhand gab es einen Schuppen, an deren zebrochenen und vor Schmutz milchigen Fenterscheiben, noch einige Katzen zu erspähen waren.Mein Blick wanderte langsam nach links. Dort war ein Geräteschuppen, und daneben befand sich ein Kuhstall. Als ich dort einen jüngeren Mann sah, der auf einer Heugabel aufstützend meinen Blick traf, war ich kurz erschrocken, und vieklleicht auch ein wenig verlegen. Schließlich machte ich mich in aller Seelenruhe auf fremden Gehöft breit. Ich lächelte ihn an, stand auf, und ging freundlich auf ihn zu.Nachdem ich mich entschuldigte, mich ohne Rücksprache hier aufzuhalten, fragte ich ihn, ob er wisse, wieviel Katzen sich hier aufhielten, und ob sie denn alle zum Hof gehörten. Zudem, daß dieser Mann mehr als wortkarg war, brachte er mir solch ein Mißtrauen und somit auch eine Unfreundlichkeit entgegen, daß ich mich nochmals entschuldigte, und nun erklärte, daß ich auf der Suche nach meiner Katze sei und hoffe, sie hier eventuell zu finden. Zumindest hatte er nichts dagegen, daß ich öfters vorbeischauen wolle. Nochmals einen prüfenden Blick hinter mich geworfen, sammelte ich meine Tasche ein, und fuhr wieder einmal, zum gefühlten tausendsden Mal, enttäuscht nach Hause. Vielleicht war sie ja nur diesesmal nicht da? Ich müsse einfach noch öfters dort vorbeischauen, und ich mußte über den hiesigen Tierschutz mehr über diese vielen Katzen in Erfahrung bringen.
In dieser Nacht hatte ich einen Traum:
meine Familie und ich sind in einer Stadt am See spazieren gegangen. Da sah ich meinen Müll auf meinem runden, kleinen Holztisch liegen.Wir laufen vorbei, und ich denke für mich, den Müll kann ich doch nicht liegen lassen, und trenne mich von meiner Familie.Als ich auf die besagte Stelle zulaufe, sehe ich anstelle des Mülls, eine Katze dort sitzen. Neben ihr sitzt eine alte Dame auf einer Bank. Ich erkenne Murmelchen, gehe langsam, ihren Namen sprechend, auf sie zu. Sie sitzt in ihrer typischen Stellung mit eingeschlagenen Pfötchen da. Sie steht auf, und hebt ihr linkes Vorderpfötchen. Sie springt vom Tisch und läuft hinkend auf mich zu. Kniend nehme ich sie auf den Arm, und sogleich schmiegt sie sich in meine linke Halsbeuge, ganz ihrer Gewohnheit gleich. Als ich aufstehe springt sie von meinem Arm, jedoch kann ich sie mit Trockenfutter aus meiner Tasche zu mir locken...
Während dieses Traumes fing ich wohl schon an zu weinen. Ob ich nun der Tränen wegen aufwachte, oder durch mein Schluchzen; Maymunah kam diese Nacht das erste Mal zu mir an meinen Kopf um mich zu trösten. Und ich spürte immer noch die Wärme des weichen Felles von Murmelchen an meinem Hals!
Am darauffolgendem Tage war ich so erschöpft, daß ich mich nach der Arbeit sofort hinlegte. Das Läuten meines Telefones ließ mich aus meinem Schlaf reißen. Torkelnd ging ich ans Telefon."Ja, bitte?" "Spreche ich mit Frau Martina .....? Hier ist der Tierschutzbund Langenargen. Wir haben gehört, daß sie eine Tigerkatze suchen, und wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns eine Mail mit einem Foto schicken könnten, um dies mit der Katze abzugleichen, die schon ein paar Tage bei uns ist. Ich gebe Ihnen meine Mail-Adresse." Oh, bitte, laß es Murmelchen sein. Diesmal muß es Murmelchen sein! Ich hatte solch zittrige Hände, daß ich kaum in der Lage war, meinen Kugelschreiber ordentlich zu halten. "Vielen Dank, ich werde Ihnen sofort ein paar Bilder zusenden." Wie immer war mein PC zu langsam, zu langsam, wenn man es vor Aufregung ganz eilig hatte.... Kaum eine viertel Stunde später klingelte das Telefon wieder, und der freundliche Herr sagte mir, daß seine Frau sicher sei, daß es sich um meine Katze handle.Er war sogar so entgegenkommend, mich abzuholen, da ich keine Möglichkeit hatte, so schnell eine Auto zu besorgen. Ich lief zitternd vor Kälte an die Straßenecke am See, und bemerkte erst jetzt, daß ich den Regenschirm vergessen hatte. Seit gestern regnete es immer wieder, und es wurde unangenehm feucht. Doch schon kurz darauf hielt ein sportlicher Zweisitzer, und während der Fahrt, die sich bis ins Unermessliche ausdehnte, erzählte mir der Tierfreund von seiner Arbeit. Und ehrlich gesagt, interessierte es mich im Moment erschreckend wenig.
Wir stiegen die alte Holztreppe des Bauernhofes hinauf, und an der Türe erwartete mich schon seine Frau. Im etwas düsteren Wohnraum kam mir ein Geruch von nassem Hundefell und modrigen Holz entgegen. Außerdem begrüßte mich ein mittelgroßer, struppiger Hund mit seiner feuchten Hundeschnauze.Ich war viel zu aufgeregt, als daß ich mich mit ihm abgeben wollte, und streichelte ihm flüchtig über seinen Kopf. Als Dank dafür bedrängte er mich noch mehr, und wedelte voll freudiger Erwartung mit seinem Schwanz. Wenn er wüßte, welch große Erwartung ich erst hatte! Die Frau sagte mir, daß das Tigerle, sehr schreckhaft sei, und wir uns wohl einen Moment gedulden müßten, bis es unter dem Sofa hervorgekrochen käme. Ich setzte mich auf einen zerschlissenen Sessel und erzählte, daß ich schon einmal von einem ähnlichen Anruf enttäuscht wurde, und es sich sicher wieder nicht um mein Murmelchen handeln würde. Aber sie versicherte mir, daß die Ähnlichkeit frappierend sei.
Und da schaute ein Näschen unter dem Sofa hervor, und plötzlich wurde mir klar, daß ich wohl nochmals solch einen Anruf nicht verkraften würde." Jetzt warten Sie doch einen Moment noch, bis sie ganz zu sehen ist!" Ich kannte das Schnäuzchen meines Murmelchens. Und das, was ich da sah, war nicht das Schnäuzchen meiner über alles geliebten, so sehr vermißten Katze! Niemals wieder würde ich meine Kräfte für irgendeine zaghafte Hoffnung aufwenden. Niemals wieder. In diesem Moment wußte ich nicht, wer mehr enttäuscht war; die Frau, die dachte, ein glückliches Widersehen protokollieren zu können, oder ich, die auf dem schnellsten Wege wieder nach Hause wollte. Nach Hause in mein gemütlich geschaffenes Reich , in meine Oase des Friedens und der Stille. In meine vier Wände, in denen ich ohne Scham und Rücksicht vor fremden Leuten meinen Frust und meiner Traurigkeit freien Lauf lassen konnte.
Und wieder einmal kam ich mit einem leeren Katzenkorb nach Hause. Das war nun das Zweite Mal. Den ersten Anruf bekam ich von einer Dame, die von einer Tigerkatze berichtete, welche sich seit mehreren Tagen ums Haus aufhielt, und die man nicht zuordnen könne. Allerdings befand sich das Dorf mit besagtem Haus mindestens 30 Kilometer entfernt. Schon damals rechnete ich die Chancen gering ein; trotzdem saß ich am darauffolgendem Tag im Auto meiner Mutter. Sie fuhr mit, denn auch wenn sie es nicht zugab, falls es eine geringe Chance gab, ihre Tochter wieder lachen zu sehen, so wollte sie sich diesen Augenblick nicht entgehen lassen. Wir fuhren also über etliche Dörfer hinweg, bis wir dort ankamen. Also mal ehrlich, wie sollte Murmelchen denn hier her gekommen sein. Aber es gab ja immer wieder Wunder. Und auf ein Wunder wartete allen voran, natürlich ich am meisten. Doch auch hier wurde ich schnell eines Besseren belehrt. Wäre meine Mutter nicht dabei gewesen, ich hätte diese Katze wohl mitgenommen. Auf dem Heimweg konnte ich meine Tränen wieder mal nicht zurückhalten, und ich hörte nur noch: "Jetzt ist aber mal gut! Die Heulerei bringt Murmelchen auch nicht wieder zurück!" Wie konnte meine Mutter nur so unsensibel sein?! ___